Eröffnung der Konferenz, Prof. Dr. Till van Treeck (Universität Duisburg-Essen / FGW-Kollegium)
Prof. Dr. Till van Treeck leitet den Lehrstuhl für Sozialökonomie an der Universität Duisburg-Essen und ist geschäftsführendes Vorstandsmitglied des FGW. Till van Treeck eröffnete die Hauptkonferenz und sprach dabei über das Konzept des NRW-Dialogforums 2015 und die Rolle der Wissenschaft in der Gesellschaft. Er zitierte das Jahresgutachten des Wissenschaftlichen Beirats der Bundesregierung Globale Umweltveränderungen (WBGU) aus dem Jahr 2011. Dort heißt es sinngemäß, es brauche einen neuen Vertrag zwischen Wissenschaft und Gesellschaft. Die Wissenschaft sollte sich im Rahmen eines solchen verpflichten, sich verstärkt an Zielen im Rahmen einer großen sozialökologischen Transformation zu orientieren. Die Wissenschaft sollte sich dabei nicht nur an den Kriterien der eigenen Fachdisziplin messen, sondern auch relevante und glaubwürdige Lösungen für die identifizierten gesellschaftlichen Probleme entwickeln. Im FGW werde versucht, so Till van Treeck, an einer Kultur des Dialogs mitzuwirken welche dem vom WBGU geforderten Vertrag zwischen Gesellschaft und Wissenschaft entspricht. Das NRW-Dialogforum sei dafür ein wesentliches Instrument.
Grußworte von Dirk Meyer (Ministerium für Innovation, Wissenschaft und Forschung NRW)
Dirk Meyer leitet die Zentralabteilung des Ministeriums für Innovation, Wissenschaft und Forschung (MIWF NRW). Er ist der Vertreter des MIWF, dem wichtigsten Fördergeber des FGW, im Kuratorium des Instituts. Zur Eröffnung der Hauptkonferenz sprach der studierte Historiker einleitende Worte mit Bezug auf den thematischen Schwerpunkt der Konferenz. Radikale Veränderungsprozesse, so Dirk Meyer, hätten stets einen historisch offenen Ausgang. Auch gesellschaftlicher Rückschritt sei jederzeit möglich, wie der Erfolg der Rechtspopulisten in Europa und den USA zeige. Das Mantra der letzten Jahrzehnte habe gelautet: die ökonomische, politische und soziale Entwicklung sei alternativlos, soziale Verwerfungen seien ignoriert oder als schwerlich zu ändern akzeptiert worden, die Verlierer seien für ihr Schicksal selbst verantwortlich gemacht worden.
Die Rechtspopulisten schafften es nun diesem Mantra der Alternativlosigkeit eine Alternative entgegenzusetzen. Donald Trump habe im US-Wahlkampf versprochen er hole die industriellen Arbeitsplätze aus China zurück, er schicke die Gastarbeiter aus Mexiko nach Hause und mache die Jobs frei für die US-Bürger, Frauen seien wieder Frauen und Männer wieder Männer. Die Rechtspopulisten entgegneten dem Mantra also die Geschichte sei sehr wohl gestaltbar, wer etwas anderes behauptet sei Establishment.
Die Rechtspopulisten schafften es nun diesem Mantra der Alternativlosigkeit eine Alternative entgegenzusetzen. Donald Trump habe im US-Wahlkampf versprochen er hole die industriellen Arbeitsplätze aus China zurück, er schicke die Gastarbeiter aus Mexiko nach Hause und mache die Jobs frei für die US-Bürger, Frauen seien wieder Frauen und Männer wieder Männer. Die Rechtspopulisten entgegneten dem Mantra also die Geschichte sei sehr wohl gestaltbar, wer etwas anderes behauptet sei Establishment.
Keynote 'Herausforderungen für ein europäisches Europa', Prof. Dr. Gesine Schwan (Humboldt-Viadrina Governance Platform)
Prof. Dr. Gesine Schwan, Präsidentin der Humboldt-Viadrina Governance Platform, ist Kuratoriumsmitglied des FGW und hielt im Rahmen des NRW-Dialogforums 2016 eine Keynote zum Thema „Herausforderungen für ein europäisches Europa“. Deutschlands nationales Interesse läge darin, zitiert Gesine Schwan den ehemaligen Bundespräsidenten Richard von Weizsäcker, in Einvernehmen und guter Nachbarschaft mit den Europäern zu leben. Damit sei, so Gesine Schwan, der Widerspruch zwischen nationalem und europäischem Interesse aufgehoben. Nichtdestotrotz sei es heutzutage so, dass Deutschlands Position in Europa besonders stark sei und nichts gegen deutsche Interessen durchgesetzt werden könne. Mit dieser Verantwortung müsse Deutschland sehr verantwortungsvoll umgehen und sich um ein europäisches Deutschland anstelle eines deutschen Europas bemühen. Deshalb müsse Deutschland vor allem wirtschaftspolitische Entscheidungen nicht moralisch, sondern empirisch diskutieren. Die Schuldner als Schuldige darzustellen sei in diesem Zusammenhang keineswegs hilfreich. Die anderen als leichtfertig zu diskreditieren und mit dieser Begründung Solidarität in Europa zu verweigern sei der falsche Weg.
Keynote 'Politische Gestaltbarkeit der Digitalisierung und die Rolle der Wissenschaft', Prof. Dr. Sabine Pfeiffer (Universität Hohenheim / FGW-Kollegium)
Prof. Dr. Sabine Pfeiffer leitet den Lehrstuhl für Soziologie an der Universität Hohenheim. Sie ist Mitglied im Kollegium des FGW und hielt im Rahmen des NRW-Dialogforums eine Keynote zum Thema „Politische Gestaltbarkeit der Digitalisierung und die Rolle der Wissenschaft“. Sabine Pfeiffer zitierte das Beratungsunternehmen Deloitte, das 2009 in einer Studie nach der Finanzkrise konstatierte, dass die Welt anders sei als gedacht. Die Staaten mit einem höheren Anteil an industrieller Basis hätten nämlich die Finanzkrise besser überstanden. In Folge wurde das vor der Finanzkrise proklamierte Ende der Industrie in den wirtschaftlichen Zentren widerrufen. Die wieder in Mode gekommene Industrie mündete in den Begriff Industrie 4.0. Die vierte industrielle Revolution verspräche Ressourcen- und Energieeffizienz, die wertschöpfenden Tätigkeiten würden kreativ und Routinetätigkeiten könne man sich künftig sparen, die Work-Life-Balance verbessere sich ebenfalls. Obendrein könne Arbeit demographiesensibel und sozial gestaltet werden und auch die Probleme des demographischen Wandels lösen. Im Gegensatz zu diesen Heilsversprechen seien viele der aktuellen technischen Entwicklungen schlicht nachholende Digitalisierungsprozesse, die Unternehmen schon vor fünf Jahren hätten tätigen können. Dabei handle es sich jedoch um eine normale Automatisierung und nicht unbedingt um eine neue Qualität in der Produktion, etwa im Sinne autonomer Systeme, die selbst lernfähig sind. Von diesen sähe man in der Praxis nicht allzu viel.
Keynote 'Sozialökonomische Transformation', Prof. Dr. Dirk Messner (Deutsches Institut für Entwicklungspolitik / FGW-Kollegium)
Prof. Dr. Dirk Messner ist der Direktor des Deutschen Instituts für Entwicklungspolitik in Bonn und Mitglied im Kollegium des FGW. Dirk Messner erklärte, dass der Prozess der Eliminierung aller Emissionen aus der Weltwirtschaft als Dekarbonisierung bezeichnet werde. Für eine radikale Reduktion der Emissionen sei es primär notwendig die Energiesysteme (Gebäude, Mobilität, Industrie) in Angriff zu nehmen. Diese seien für 70% aller globalen Treibhausgasemissionen verantwortlich und beruhten primär auf der Verbrennung fossiler Energieträger. Ein unveränderter Verlauf der aktuellen Emissionsentwicklung würde bis 2100 eine Erderwärmung um sechs Grad zur Folge haben. Dagegen helfe einerseits die stetig steigende Energieeffizienz, die voraussichtlich eine Reduktion des Energieverbrauchs um 50% bewirken könne. Die zweite Schraube an der gedreht werden müsse sei die Energieinfrastruktur, also die Produktion erneuerbarer Energie. Bis Mitte/Ende dieses Jahrhunderts bräuchte es eine vollständige Umstellung auf nicht fossile Energieträger um das 2-Grad Klimaziel zu erreichen.
Podiumsdiskussion 'Integration und Migration im urbanen Raum' Kurzinputs der Teilnehmenden Rainer Schmeltzer (Arbeitsminister NRW), Marion Greve (Superintendentin des Kirchenkreises Essen) und Dr. Heike Hanhörster (ILS) mit anschließender Diskussion moderiert von Thilo Jahn (DRadio Wissen).
Rainer Schmeltzer, Minister für Arbeit, Integration und Soziales des Landes Nordrhein-Westfalen, hielt das erste Impulsreferat. Einwanderung überfordere NRW nicht und die Integration vor Ort sei auch nicht gescheitert. Im Gegenteilt, gelingende Integration in den Schulen, Betrieben und Stadtteilen sei viel häufiger Normalität als es manche Stimmen weismachen wollten. Marion Greve, Superintendentin des Kirchenkreises Essen betonte in ihrem Input, dass im Jahr 2015 das ehrenamtliche Engagement im humanitären Bereich in Deutschland erstmals größer gewesen sei als das ehrenamtliche Engagement in Sportvereinen. Die beiden christlichen Kirchen engagierten sich beispielsweise in Altenessen, einem Stadtteil der zu unrecht in manchen Medien als „No-Go Area“ bezeichnet werde. Dort werden in regelmäßigen Versammlungen mit 300 teilnehmenden Bürger_innen konkrete Probleme und Herausforderungen der Integration diskutiert. Dr. Heike Hanhörster, wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Landes- und Stadtentwicklungsforschung konstatierte, dass selbst in ethnisch und sozial stark gemischten Stadtteilen wenig Kontakt zwischen den verschiedenen Gruppen stattfinde. Umso wichtiger seien Bildungseinrichtungen, weil diese als Begegnungszonen für alle Gruppen dienten und hohes integratives Potential hätten.
Zwiegespräch zum Thema 'Transformative Wissenschaft' Prof. Dr. Uwe Schneidewind, Präsident und Prof. Dr. Andreas Freytag im Zwiegespräch, die Diskussion wurde von Kester von Kuczkowski (TU Berlin) moderiert.
Prof. Dr. Uwe Schneidewind, Präsident des Wuppertal Instituts und Prof. Dr. Andreas Freytag, Inhaber des Lehrstuhls für Wirtschaftspolitik an der Universität Jena, führten im Rahmen des NRW-Dialogforums ein Zwiegespräch zum Thema „Transformative Wissenschaft“. Es moderierte Kester von Kuczkowski, Referent für strategische Projekte an der TU Berlin. In dem Gespräch gab es Konsens darüber, dass eine politökonomische Perspektive in der wirtschaftswissenschaftlichen und wirtschaftspolitischen Forschung stärker mit einfließen solle. Uwe Schneidewind war der Auffassung, dass der Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung Vorschläge propagierte die nicht an der politökonomischen Realität andockten. Prof. Freytag entgegnete, dass ein Sachverständigenrat sich nicht von politischer Machbarkeit geistig limitieren lasse solle und mit utopischen Vorschlägen durchaus Verschiebungen in Debatten erreichen könne. Prof. Schneidewind griff den Vorschlag auf und entwarf die Idee eines „Postkapitalismus-Beirates“, der parallel zum konventionellen Sachverständigenrat alternative Utopien entwickelt, um die Breite des Feldes weit aufzuspannen. Prof. Freytag stimmte diesem Vorschlag im Sinne eines Wettbewerbs der Ideen durchaus zu, gab aber zu bedenken, dass es sinnvoller wäre über „Varieties of Capitalism“, also über verschiedene Ausprägungen kapitalistischer Ökonomien zu streiten.